Die Stadt und "ihre" Soldaten

Das Verhältnis der Stadtverwaltung und der Bürger von Stolp zu "ihren" Soldaten, besonders zu den Husaren, wird in der Literatur einhellig sehr postiv hervorgehoben. Sicher gab es auch Beispiele für kleinere Spannungen in bestimmten Fällen, die aber nicht so gravierend waren, dass sie über längere Zeit zu einem Zerwürfnis geführt hätten.

Die gute Zusammenarbeit und die gegenseitige Achtung und Anerkennung ist sicher langsam gewachsen. Die ersten Schritte des Landesherrn bei der Einquartierung von Garnisonstruppen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden noch mit Argwohn beobachtet. Man ging nach den bitteren Erfahrungen des 30jährigen Krieges davon aus, dass eine Stadt mit einquartierten Truppen den bewaffneten Feind geradezu anzieht. Mit welchen Schrecken, Plünderungen, Brandschatzungen, Vergewaltigungen und Kontributionen das enden konnte, war Ende des 17. Jahrhunderts durchaus bei den Bürgern noch präsent. Außerdem waren unter den Soldaten noch sehr viele Mannschaften, die im Ausland geworben waren, was bei den privaten Quartiergebern zu Misstauen führte. Die Zuordnung von heimatlichen Rekrutierungskantonen zu den Regimentern und die Einführung der Akzise, einer städtischen Verbrauchssteuer, die direkt am Stadttor erhoben wurde, führten dazu, dass die Städte sich mit den Einquartierungen der militärischen Einheiten anfreundeten. Ließen doch die Soldaten, die jetzt überwiegend aus Pommern kamen, ein schönes Sümmchen Geld in städtische und kirchliche Kassen fließen.

Auch die Tatsache, dass alle Soldaten - Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften - in Privathäusern eine Wohnung oder Stube finden mussten und auch die Pferde in stadteigenen oder privaten Ställen untergebracht werden mussten, zeigt, wie eng die Verbindung bis zum Bau der ersten Kasernen Ende des 19. Jahrhunderts war.

Ein paar Beispiele sollen hier zeigen, wie gut sich das Verhältnis von Stadt, Bürgern und Soldaten untereinander entwickelte:

Im Mai und Juni 1866 verließen, nach erfolgter Mobilmachung, die Husaren, die Infanterie und die Landwehr die Stadt. Der Deutsche Krieg (Kampf um die Führung im Deutschen Bund) hatte begonnen und alle Kräfte wurden benötigt. Sie wurden von den Behörden und den Einwohnern "mit den heißesten Segenswünschen für einen siegreichen Feldzug und eine glückliche Rückkehr" verabschiedet. Im September kehrten sie bereits wieder nach Stolp zurück. Die Stadt hatte sich mit Fahnen und Blumen geschmückt, die Soldaten wurden vor dem Rathaus mit großem Jubel empfangen. Am 14. September, dem Tag der Rückkehr des letzten Kontingents, fand ein festliches Essen für die Offiziere statt, zu welchem die städtischen Behörden eingeladen hatten. Für die Unteroffiziere und Mannschaften war jeweils am Ankunftstag ein Ball organisiert worden. Die Kosten aller Feierlichkeiten betrugen 1.080 Taler, 18 Silbergroschen und 1 Pfennig.[1]

Als 1869 neue Ställe für die Pferde des Husarenregiments gebaut wurden, gab die Stadt das Baugrundstück unentgeldlich ab und gewährte der Stolper Stallbau-Actien Gesellschaft ein unverzinsliches Darlehen von 6.000 Talern, das in 12 Jahren zurückzuzahlen war. Auch dies zeigt, wieviel der Stadt daran gelegen war, dass das geliebte Husarenregiment in Stolp verblieb.[2]

Auch als die Husaren 1870 wieder in den Krieg zogen und erst 1871 zurückkehrten, wurden im Rahmen der Wohltätigkeit die zurückgebliebenen Soldatenfamilien durch städtische Mittel unterstützt. Im Dezember 1870 wurde ein Transport von Liebesgaben im Wert von ca. 1.800 Talern, die in Stadt und Land gesammelt worden waren, unter der Leitung von Leutnant a. D. Fuchs in das Kriegsgebiet der Husaren gebracht.
Auch das Stolper Landwehrbataillon marschierte im Januar 1871 nach Frankreich ab. Der Frauen-Verein hatte noch rechtzeitg vor Abmarsch "550 Paar gestrickte wollene Strümpfe, 500 wollene Leibbinden und 290 Paar Unterbeinkleider" von einer gesammelten Summe von 579 Talern hergestellt und verteilt.[2]

Selbst über die Garnison hinaus engagierten sich die Bürger für das Heer und die Verteidigung ihres Landes. Im Jahre 1812 musste es Preußen aufgrund unterlegener Kräfte noch hinnehmen, dass Napoleon mit seiner Armee unbehelligt durch das Land gen Osten zog. Als die geschlagene Armee Ende 1812 von Russland wieder durch Pommern zurück zog und der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. zur Bildung von freiwilligen Jägerkorps und von National-Kavallerie-Regimentern aufrief, meldeten sich spontan auch viele Freiwillige und Spender in der Stadt Stolp. Listen mit Namen der Freiwilligen Jäger und zur Landwehr eingezogenen sowie der Spender zeigen die große Beteiligung der Stadt.[3][4][5]

An den Denkmalen ist die Wertschätzung der Stadt für ihre Soldaten ebenfalls abzulesen. Zum 150jährigen Bestehen des Regiments der Blücherhusaren wurde am 16. Februar 1908 der Stadt das Blücherdenkmal in Anwesenheit des Generals der Kavallerie von Mackensen auf dem Marktplatz übergeben. Der Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Blücherhusaren, Rittmeister Siemers-Kunsow, übergab es in die Hände der städtischen Verwaltung. Auch Belling, der frühere und in Stolp verstorbene Chef des Regiments, hatte eine Gedenktafel erhalten an seiner Grabstätte in der Marienkirche. Das Husaren-Regiment 5 und das Reserve-Husaren-Regiment 1 selbst wurden mit einem Denkmal für ihre Gefallenen im Krieg 1914-1918 geehrt. Das Denkmal wurde im Rahmen des jährlichen Blücherfests am 16. Dezember 1925 auf dem Schraderplatz eingeweiht.[6][7]
Auch das bei der 600-Jahrfeier der Stadt am 10. September 1910 eingeweihte Reiterstandbild Kaiser Wilhelms muss hier mit erwähnt werden. Auf seinem Sockel waren die Namen der in den Kriegen 1864, 1866 und 1870/71 gefallenen Soldaten aus Stadt und Landkreis Stolp aufgenommen. Dem Reiterstandbild musste, gegen den Protest der Verteranen, das Kriegerdenkmal von 1875 für die ca. 300 im Deutsch-Französischen Krieg gefallenen Husaren weichen. Dessen neuer Standort wurde an der Nordostseite des Friedhofs ausgewählt.

 

Auch eine Serie des Notgelds der Stadt Stolp war den geliebten Husaren gewidmet:

 

Die Kriegervereine, nach 1934 Kriegerkameradschaften genannt, waren ebenfalls ein enges Bindeglied zwischen Soldaten und Bürgern der Stadt. Sie spielten im öffentlichen Leben der Stadt ein wichtige Rolle, sie brachten sich durch Spenden und Hilfsprojekte aktiv ein und sie genossen ein hohes Ansehen. Dem reichsweit agierenden Kyffhäuserbund waren die folgenden Kameradschaften angeschlossen:
Krieger-Kameradschaft 1876
Krieger-Kameradschaft 1895
Kameradschaft ehem. Blücherhusaren
Kameradschaft Eiserne Brigade ehem. 61er und 21er
Kameradschaft ehem. Grenadiere
Kameradschaft ehem. 14er Graf Schwerin
Kameradschaft ehem. Artilleristen Stolp und Umgebung
Kameradschaft ehem. Jäger und Schützen
Kameradschaft ehem. Gardisten
Kameradschaft ehem. Leibhusaren Totenkopfbrigade
Kameradschaft ehem. Pioniere und Verkehrstruppen Stolp und Umgebung
Kameradschaft Stolp i. Pom. 8. Westpr. Inf-Reg. 175
Daneben gab es noch mehrere Reichsverbände, Reichsbünde, etc. Ein Kriegerheim wurde in der Kleinen Auckerstraße Nr. 5 angekauft und eingerichtet.[8]


Die damals vorherrschende patriotische Stimmung drückte sich jedoch nicht nur in der Vielzahl der Kriegervereine aus, sondern ab 1914 auch in der Unterstützung der kriegführenden Regierung. Beginnend mit September 1914 wurden insgesamt 9 Kriegsanleihen zur Finanzierung des Krieges aufgelegt, jeweils im Frühjahr und im Herbst eines jeden Jahres. Für den Ankauf der Anleihen wurde in den Städten mit patriotischen Veranstaltungen Reklame gemacht. Auf dem Bild sieht man Flugvorführungen über der Stadt und unzählige Menschen auf dem Stephanplatz.

 

Mit dem Bau und der Belegung der neuen Kasernen am Südostrand der Stand war zumindest das enge Zusammenleben Bürger und Soldaten beendet. Das gute Einvernehmen bestand aber weiterhin. Durch die allgemeinen politischen Verhältnisse ab 1933 wurde es jedoch insgesamt komplizierter.

Quellen:
[1] Magistrat der Stadt Stolp: Bericht über die Verwaltung und den Stand der Stadt-Gemeinde Stolp während der Jahre 1865-1867, Stolp 1868
[2] Magistrat der Stadt Stolp: Bericht über die Verwaltung und den Stand der Stadt-Gemeinde Stolp während der Jahre 1869-1871, Stolp 1872
[3] St., Fr.: Die freiwilligen Opfer der Stadt Stolp im Jahre der Erhebung 1813-14, in: Ostpommersche Heimat 1937, Nr. 19
[4] Anonym: Das pommersche National-Kavallerie-Regiment, Eine Opfergabe der Provinz bei der nationalen Erhebung 1813, in: Ostpommersche Heimat 1937, Nr. 20
[5] St.: Stolper "Militaria" während der Erhebung Preußens, in: Ostpommersche Heimat 1938, Nr. 19 u. 20
[6] Bartholdy, Walther: O Stolpa, du bist ehrenreich ..., Stolp 1910, S. 338
[7] Eulitz, Oskar: Stolp (Pommern) und seine Umgebung, Stolp 1925, S. 142
[8] Pagel, Karl-Heinz: Stolp in Pommern - eine ostdeutsche Stadt, Lübeck 1977, S. 226

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