Auf dem Breiten Stein stehen

von Rainer Steingäber (Kommentare: 0)

Aufgebot in früherer volkstümlicher Form


Bartholomeus Sastrow (* 21. August 1520 in Greifswald; † 7. Februar 1603 in Stralsund) war Bürgermeister von Stralsund und äußert an Hand seiner eigenen Hochzeit in Greifswald in seiner Lebensbeschreibung (1) anschaulich einen Brauch, das „Steingant“ = Steinstehen.
Nach seiner Schilderung war es zu seiner Zeit noch volkstümlicher Brauch, dass der Bräutigam, und nur dieser allein, sich am Tage der Hochzeit kurz vor der Trauung, begleitet von seinen Hochzeitsgästen und den Spielleuten, auf einen bestimmten Stein in der Stadt oder im Dorf einige Minuten öffentlich zur Schau stellen musste, wo noch jeder, der sich dazu berechtigt glaubte, gegen die bevorstehende Eheschließung Einspruch erheben konnte.
Dieses „Steinstehen“ war früher auch in Stralsund bekannt, wie Ernst Moritz Arndt in seinen Lebenserinnerungen erzählt.
Die Erinnerung an diesen Brauch scheint noch in dem aus dem Ende des 19. Jahrhunderts überlieferten Zwilipper Vers (2) fortzuleben:

„Ick stunn mal uppen breida Stein,
Deed mi da Ogen utweina.
Die annere Mäkes krega eina Mann,
Und ick bleef ganz alleina.
Ick kreg die letzta und die besta,
Hei mi nich schlaug, hei mi nich jaug,
Un ging uk nich iina Beierkraug“ (3)


Später pflegten die Brautleute bei der Trauung sowie die Paten bei der Taufe auf einem bestimmten breiten Stein vor dem Altar in der Kirche zu stehen. Daraus erklärt sich die Redensart: „Er muss auf dem breiten Stein stehen“ oder „breitstan“, d.h. er muss Pate stehen, welche Ausdrucksweise in Pommern auch für Groß Schlönwitz und Kunsow im Kreis Stolp überliefert ist.

 

(1) Sastrow verfasst 1595 seine kulturhistorisch bedeutsame Autobiografie.
(2) Zwilipp ist ein Ort im Kreis Kolberg-Körlin
(3) Blätter für Pommersche Volkskunde. Band I. S. 166

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