Auswanderung am Beispiel der Familie Wianz

Auswanderungsbewegung erfasst auch Pommern:

“Amerikafahrer“ am Beispiel der Familie Wianz aus Darsow

 

Im 19. Jahrhundert kam es in ganz Europa zu einer großen Bevölkerungsentwicklung, von der auch die Ostsee-Anrainerstaaten ergriffen wurden. Die Einwohnerzahlen stiegen hier teilweise sogar noch stärker an (um das Zweieinhalb- bis Dreifache). 1816 lebten in den preußischen Provinzen Pommern, Ost- und Westpreußen 2,14 Mio Menschen, 1910 bereits 5,48 Mio. (Quelle: Wolfgang Froese, Wikinger, Germanen, Nordische Königreiche, Hamburg 2008, S.347ff). Durch eine Verbesserung der Ernährungslage für breite Bevölkerungsschichten (Agrarreform, verbesserte Anbaumethoden, etc.) kam es zu einem kräftigen Anstieg der Bevölkerung, gleichzeitig führte die Veränderung der ländlichen Sozialverfassung zu umfangreichen Entwicklungsmöglichkeiten für Familien (z.B. fielen Heiratsbeschränkungen). Gleichzeitig stieg der Bedarf an Arbeitskräften auf dem Lande und bei den Gutswirtschaften durch kräftigen Landesausbau. Auch das Klima unterstützte eine Häufung guter Ernten. Hier kam es allerdings zwischen 1846-1848 durch Missernten zu schweren Einbrüchen. Nun zeigten sich die Probleme der starken Bevölkerungsentwicklung auf dem Lande, die schon seit den 30er Jahren unterschwellig vorhanden waren. Die Landbevölkerung wurde von einer großen Massenwanderung – zunächst in die nächsten Städte – ergriffen. Es handelte sich um sogenannte Nahwanderungen.

Aber auch die Auswanderung nach Amerika nahm immer mehr Gestalt an. Pommern wurde erstmals in den späten 1860er Jahren von einer größeren Auswanderungswelle erfasst. Zwischen 1867-1874 verließen 0,8% der Bevölkerung jährlich das Land und zwischen 1880-1884 waren es sogar 1,2%. Danach ebbte diese Entwicklung wieder etwas ab und kam nach 1893 fast völlig zum Versiegen.

Zunächst überwog die Auswanderung ganzer Familien. Es handelte sich vor allem um Besitzlose wie Landarbeiter, Handwerker, jüngere Söhne von Kleinbauern, später wanderten auch einzelne aus, aber einige kamen auch enttäuscht zurück.

Für den Ort Darsow ließ sich auch eine Auswanderung nach Brasilien finden: 1859 verließ Ferdinand Schlottag (Slottag) *err. 1826 mit Ehefrau Henriette und den Kindern Johanna (9), Wilhelm (3) und Bertha (1/2) Darsow. Als Religion ist „protestantes“ vermerkt.

Zu den Zielen der deutschen Auswanderung für die Zeit von 1871-84 heißte es in Meyers Konversations-Lexikon (1888):

Staaten: Auswanderer:  
Vereinigte Staaten von Nordamerika: 1 250 937        55,5%
Britisch-Amerika: 3 289 2,5%
Mexiko und Zentralamerika: 444 0,4%
Westindien: 916 0,7%
Brasilien: 27 128 20,7%
Andre südamerikanische Staaten: 8 524 6,5%
Afrika: 2 929 2,2%
Asien: 441 0,3%
Australien: 14 664 11,2%

Von insgesamt 1.309.272 Personen, gingen 648.930 über Bremen, 531.670 über Hamburg, 7.629 über Stettin und 121.043 über Antwerpen.

 

Familie Wianz:

Die Familie Heinrich Wianz (Wians) mit Ehefrau Wilhelmine geb. Mangelsdorff *1826 war in Darsow-Schidlitz ansässig. Heinrich *1824 gehörte vermutlich zu den Wianz-Familien, die in den Nachbarorten Czierwienz und Langeböse ansässig waren und teilweise auch Grundbesitz erwerben konnten.

Die Familie Mangelsdorf war in Darsow verbreitet und schon länger ortsansässig. So kann vermutet werden, dass Heinrich durch Heirat in dieses Dorf kam. Er war Schneider, später wird er als Tagelöhner vermerkt. Sieben Kinder haben sie bekommen:

  1. Auguste Wianz *1849, +13.09.1891 Chicago; oo1869 (EKB Schurow): Theodor Borski
  2. Hermann Friedrich Wianz *06.10.1850 Schidlitz, +1924 Chicago; oo1877: Johanna Zenke
  3. Carl Albert August Wianz *25.10.1854 Schidlitz, +1940 Chicago; oo1881: Bertha Gomoll
  4. August Wianz *1859
  5. Adeline Wianz *14.01.1859 Schidlitz, +10.05.1922 Chicago; oo1881: Heinrich/Henry Birr Cook, Illinois
  6. Bertha Wianz *1861 Schidlitz, +16.10.1925 Chicago, oo1881: Edward Knop, Cook, Illinois
  7. Wilhelm Emil Gustav Wianz *27.02.1864 Schidlitz, +1950 Chicago; oo1885 Cook, IL: Johanna Bujack

Wie aus dieser Übersicht zu ersehen, sind alle Familienmitglieder, auch wenn sie in Darsow verheiratet waren, nach Amerika ausgewandert. Dort wurde aus „Wianz“ schnell „Wians“, die Aussprache „amerikanisiert“. Wie viele Deutsche siedelten sie in Chicago, Illinois. Später haben sich die amerikanischen Wians-Nachfolgefamilien zahlreicher ausgebreitet als die deutschen Wianz-Nachkommen.

Im Gegensatz zu den Wianz-Familien der Nachbarorte, hatten die Darsower keinen Grundbesitz und es ist als typisch anzusehen, dass gerade diese vollzählig ausgewandert sind, um ihr Glück und Auskommen in Amerika zu suchen. Die Wianzfamilie z. B. in Langeböse (mit Grundbesitz) verzeichnet keine Auswanderung und in der Czierwienzer Linie gab es lediglich 2 Auswanderer, zu einem Zeitpunkt, als diese noch Pächter waren. 1899 zog der Czierwienz-Zweig nach Langeböse um und erwarb dort Grundbesitz – danach kamen keine Auswanderungen in diesem Zweig mehr vor.

Die erste Auswanderung eines Zweigs der Familie aus Darsow erfolgte 1872 über Stettin. Die älteste Tochter Auguste Wianz, seit 1869 mit Theodor Borski verheiratet, bestieg mit Ehemann und ihrem Kind Richard Heinrich Ludwig *1870 das Schiff „Franklin“, das sie am 04.05.1872 nach New York brachte (die 1869 geborene Tochter Ottilie Louise war 1870 gestorben. Sie wurden in Chicago ansässig und bekamen dort weitere 5 Kinder (1882-1889).

Acht Jahre später erfolgte die zweite Auswanderung eines Familienzweiges Wianz aus Darsow. Der älteste Sohn Hermann Wianz, der 1877 Johanna Zenke geheiratet hatte, bestieg mit Ehefrau und Tochter Adeline Bertha *1872 in Bremen das Schiff „Ohio“. Sie kamen am 26.04.1880 in New York an und wurden ebenfalls in Chicago ansässig. 6 weitere Kinder wurden dort geboren (1884-1896).

Mit der dritten Auswanderung verließ der Rest des Wianz-Zweiges im Jahre 1881 Darsow. Nun hatte sich auch der Urahn Hermann Wianz *1824 mit Ehefrau Wilhelmine geb. Mangelsdorff letztlich entschlossen, mit knapp 60 Jahren Darsow zu verlassen. Sein zweiter Sohn Carl hatte kurz zuvor (29.01.1881) Bertha Gomoll geheiratet. Alle noch verbliebenen Familienmitglieder bestiegen in Bremen das Schiff „Hermann“ und kamen am 01.04.1881 in Baltimore an.